Mittwoch, 2. Dezember 2015

Zusammenfassung: Weinrallye#92 - Farbe bekennen!


So langsam sind alle im Ziel eingetrudelt – Zeit für die Zusammenfassung!

Den Anfang machte Barbara aka Ronja (oder Cantate) mit der Vorstellung eines tollen Zeichners und Malers – dem Rheingauer Michael Apitz. Wenn Ihr je die Gelegenheit habt, ihn mal live zu erleben – es lohnt sich! 

Gerald kam mit einem sehr speziellen, sehr technischen Beitrag aus dem Weinforum zur Weinrallye. Ich gestehe, mich noch nie mit der Funktionsweise eines Spektralphotometers beschäftigt zu haben, geschweige denn mit einer DIY-Idee dazu – der Bastler im dänischen Winzer war direkt angefixt. Das Ding, das den Zuckergehalt durch die geschlossene Flasche hindurch misst, finde ich aber fast noch spannender ;-).

Anja von den Weingeschichten erzählte eine Geschichte in bleu-blanc-rouge, bei der ich Gänsehaut bekam. Traurig, nachdenklich, aber nicht verzweifelt.

Sammlerfreak Peter gab ein klares Bekenntnis für die Farbe rot ab – eine kurze Geschichte seiner Zeit, auf den Punkt gebracht, so, wie wir ihn kennen.

Unseren Beitrag lest Ihr hier

Schnutentunker Felix wagte sich an ein Reizthema – was taugt Minimalschnitt aka Naturwuchs, was hat das mit Bio zu tun, wo fängt Greenwashing an, wo beginnt Verblödung? Die nachfolgende Diskussion auf Facebook ist auch lesenswert! 

Ein leidenschaftliches Plädoyerfür den Schwarzriesling kam von Chloe vom Blog „Weine vor Freude“. Übrigens eine neue Teilnehmerin der Weinrallye – herzlich Willkommen!

Juliane von Einfach Wein schrieb einen Appell, den Genuss und die Genusskultur über technische Details zu stellen. Unterschreib!

Martin vom Blog Freundliche Flüssigkeiten - auch er wollte eigentlich nicht politisch posten, aber erstens kommt es … Auslöser war eine fb-Diskussion, die an mir vorbei gegangen ist, aber offenbar nicht in allen betroffenen Gruppen mit dem nötigen Rückgrat behandelt wurde.

Ebenfalls erstmals dabei: Eva Rapps vom Weingut Hans Lang. Ein nachdenklicher Blogeintrag darüber, warum, für wen, mit welchen Erwartungen, wie authentisch – mit einem schönen Kommentar von Peter.

Cordula wurde zunächst von einem leeren Akku ausgebremst – meldete sich aber dann (selbst) kritisch mit Anmerkungen zu Rebenaposteln und Eunuchen – und endete mit dem Aufruf zu einer tollen Veranstaltung der Geisenheimer Weinstudierenden.  

Zum guten Schluss kam Ute - sie war bei den Jungs von Enderle&Moll und stellte uns zwei ihrer Weine vor. Wer die beiden noch nicht kennt - unbedingt probierenswert!

Das war’s! Ich hoffe, ich habe niemanden vergessen – herzlichen Dank an alle, die diese Etappe der Weinrallye mit wunderbar unterschiedlichen Beiträgen möglich gemacht haben.

Bis zum nächsten Mal – Thomas Günther von den Weinverkostungen ist der Gastgeber für die Dezemberrallye. 

Freitag, 27. November 2015

Weinrallye #92: Farbe bekennen!


Sorry, dies ist die Weinrallye, hier sollte es in erster Linie um Spaß und Genuss gehen, um Leichtigkeit des Seins und Unernsthaftigkeit. Mir hat es, so selten, wie ich, wie wir bloggen, nur leider derzeit den Appetit dafür verschlagen.

Als ich, als wir die Einladung zur Weinrallye 11/15 ausgesprochen haben, erschien uns das sehr entspannt. Als Peter mich daran erinnerte, dass wir die Gastgeber sind, war ich auch noch halbwegs entspannt. Halbwegs, weil inzwischen so viel passiert war. Tatsachen, die unserer Regierung Entscheidungen abverlangten, viele Menschen auf der Flucht, die über unsere Grenzen kamen, unserem Gemeinwesen auf die Probe stellten, und einerseits nie geahnte Solidaritäts- und Hilfswellen auslösten und andererseits die Artikulierung von Besorgnis, Ängsten, aber auch Unkenntnis und blanker Fremdenfeindlichkeit zur Folge hatten.

Darum das Motto "Farbe bekennen", so vielschichtig, wie man es verstehen kann und will. (Und wie es auch verstanden wurde, wenn ich an die bisherigen Beiträge denke.)

Dann kam der 13.11. Der mich, der uns traf. Ja, auch wenn tagtäglich weltweit viele Menschen sterben, für die wir unsere Facebookprofilbilder nicht ändern. Und das fordert Haltung, so oder so.

Zwei Wochen ist das her, die Welt hat sich weiter gedreht, aber die Unsicherheiten und Auseinandersetzungen sind nicht weniger geworden. Die Lage ist gefühlt angespannter denn je, was unser kleines Mitteleuropa betrifft, die Bedrohungen sind für uns spürbar. Und auch das verlangt Haltung - der Zivilgesellschaft und der Politik. 
Und nötigt mir Respekt ab angesichts der Menschen - auch der politisch aktiven und führenden - die es nicht zulassen, dass die Flüchtlingskrise und die betroffenen Menschen als argumentativer Spielball missbraucht werden.

Was ich in den vergangenen Monaten verstanden habe: Nicht jeder, der Vorbehalte und Ängste hat, ist deswegen ein fremdenfeindlicher Idiot. Wir müssen alle miteinander reden. Erklären. Verstehen. Menschen ernst nehmen. Es ist nicht alles einfach und nicht alles gut, wir müssen die Probleme benennen, versuchen. Lösungen zu finden. Ich glaube, das tun wir auch - "wir" auch mit Blick auf meine Kollegen.

Was ich aber auch zunehmend lerne: Ich bin nicht mehr bereit, Diskussionen um der Diskussion willen zu führen. Mich in spitzfindige feingeschliffene Diskurse verstricken zu lassen, in denen es nur noch um die Eloquenz geht, und so gar nicht um die Sache, weil die den Diskutanten viel zu profan ist. L'art pour l'art - sorry, not my piece of cake. Nicht hier.


Ich finde es großartig, dass viele Menschen ziemlich undogmatisch Stelllung beziehen, Farbe bekennen, etwas anstoßen. Ob das Winzer wie Thilo Strieth oder Bauer sind, ob das die Wein gegen Rassismus-Kiste ist. Ob der SWR, der ganz praktisch News for Refugees macht. 

Oder ob es um Auftritte mit Symbolkraft geht - Beethoven gegen die AfD. Ja, symbolisch. Ohne konkreten Effekt. Aber Symbole gehören zu dem, was uns bewegt.
Große Symbolkraft ging am vergangenen Wochenende von der "Probe" des Mainzer Staatstheaters aus, die just zu der Zeit stattfand, als die AfD auf dem benachbarten Gutenbergplatz eine Kundgebung abhielt. Die Wucht und Lautstärke der "Ode an die Freude" wäre geeignet gewesen, die Mauern von Jericho zum Einsturz zu bringen - hier behinderte sie im Viertelstundentakt nur die Anhänger von Frauke Petry, die in die Mainzer Innenstadt gekommen waren.

Das nenne ich Farbe bekennen. Unaufgeregt, ohne Rot zu sehen, klar in der Sache, unmissverständlich. Und ich finde auch die Erklärung des Intendanten, der die Aktion verteidigt, absolut nachvollziehbar.

Der Vollständigkeit halber: Die Aktion hatte übrigens ein Nachspiel - erst hat die Polizei Strafanzeige erstattet, wegen Störung der AfD-Kundgebung in grober Art und Weise, was gegen das Versammlungsrecht verstoße, später auch die AfD - ebenfalls wegen grober Störung und außerdem wegen der Verbreitung von Hassparolen. Als Beleg führte ein AfD-Sprecher den Vorwurf von Teilnehmern der Kundgebung an, dass Theatermitarbeiter versucht hätten, ein Plakat mit der Aufschrift "AfD verrecke" am Theater aufzuhängen, was die Polizei verhindert habe. Das Theater widerspricht - Sprecherin Fritzinger sagte dem SWR, das Transparent sei definitiv nicht von einem Mitarbeiter des Theaters angebracht worden. "Sobald wir das Banner entdeckt hatten, haben wir es entfernt." Und man habe dies auch am Samstagabend umgehend der Polizei so mitgeteilt." Inzwischen gibt es auch eine Petition gegen die Einleitung eines Strafverfahrens.
So viel Text, so wenig Wein. Der kommt jetzt. Es ist ja Weinrallye, trotz alledem.

Der Wein ist der Nachfolgejahrgang des 2013er ROTHENBERG, über den ein paar kurze, von Manfred Klimek geschriebene Zeilen die Gemüter erhitzte - Ihr wisst schon, der ausgespülte Aschenbecher ... (Ja, Klimek schreibt "2014", aber er hat de 2013er probiert, glaubt mir.
Den rieche und schmecke ich zwar (glücklicherweise) im 2014er auch nicht, dafür aber eine tiefe, würzige Mineralität, ein bisschen Salzigkeit (hey, wir sollten Wein-Bullshit-Bingo spielen).
Im Glas: 2014 ROTHENBERG, Riesling QbA trocken, Rheingau, DALGAARD&JORDAN.
In der Nase reifes Steinobst, kühler, nasser Stein, Rosen, ein bisschen grüner Tabak. Auf der Zunge trockene, trotzdem saftige Frucht, ein bisschen getrockenete Birne, Steinobst, das alles fest und straff, intensiv und mineralisch, lang und würzig. Der Wein kann Luft gut vertragen, nach ein, zwei Tagen (zugeschraubt im Kühlschrank stehend) macht er deutlich mehr Spaß als frisch geöffnet.

Weiter geht's mit den Beiträgen zur Weinrallye#92 - was ich bis jetzt gelesen habe, ist sehr schön, sehr unterschiedlich, sehr ... bunt. Farbe bekennen, so oder so.

Gastbeitrag: Weinrallye #92: Farbe bekennen!


Es ist der letzte Freitag im November, es ist Weinrallye, und wir freuen uns, in diesem Monat Gastgeber für dieses Blogevent sein zu dürfen.

Noch mehr freuen wir uns aber über den Gastbeitrag von Ronja, mit dem wir den Startschuss für die heutige Rallye geben.


Farbe bekennen auf einem Weinblog? Och nö, wie langweilig, da gibt’s doch nur rot oder weiß….. naja ok, im Sommer vielleicht auch noch Rosé – wenn man das überhaupt sagen darf?
Wenn in einem Restaurant auf die Frage nach Wein die Gegenfrage „rotoderweiß?“ kommt, vielleicht noch gekrönt von „trockenoderlieblich?“, empfiehlt sich ein Bier.

Dabei ist das mit dem rot oder weiß auch garnicht so einfach:

„Weißwein ist eher gelblich und Rotwein wird aus blauen Trauben gemacht“
(Zitat, weiß leider nicht, von wem)
Aber es geht ja noch weiter:  Die Trauben für den „Weiß“wein sind ja auch eher gelb-grünlich oder bräunlich bis grau-rosa … der Wein von blassgold bis tief-bernstein - weiß ist am Weißwein ja  garnix …. logisch, sonst wärs ja Milch ….

Farbe BEKENNEN … schreibt Tin, egal wo und wie ….. hmmm ….

In den frühen Achzigern waren bunte Haare ein Statement gegen die bürgerliche Spießer-Gesellschaft, ….. als Punk zu leben war damals nicht ungefährlich. Zwar nicht bei der Arbeit im Kuhstall : Kühe sind farbenblind. Aber schon m Schafstall war das anders: Schafe können nicht nur Farben sehen, sondern vermuten in der grünen Haarpracht irgendwas frisches kräutrig-salatiges und fraßen mir buchstäblich die Haare vom Kopf , da half nur der Wechsel auf blau oder pink.
Heute tragen ältere Landfrauen pinkfarbene oder blaue Strähnchen als modisches Accessoire …. *sic transit gloria mundi*

Farbe ist ja zunächst einmal nichts „politisches“, sondern etwas rein Physikalisches, die buchstäblichen  von den Elementen in den Himmel gemalten „alle Regenbogenfarben“ …. reine strahlende Farbe, ohne Trägersubstanzen.

Oder durch ein Prisma geschaut, sieht man alle Spektralfarben; auf Abbildungen immer sehr schön gleichmäßig verteilt, alle Farben gleich breit.
Ich erinnere mich an eine Veranstaltung, die vortragende Dame ließ alle Teilnehmer durch Prismen schauen und erzählen, wie breit wir die einzelnen Farben sahen. Das war sehr interessant, denn KEINE/R der Anwesenden sah alle Farben gleich breit. Durch dasselbe Prisma bei derselben Beleuchtung sah ich bspw das Blau deutlich breiter, der Nachbar das Gelb, der nächste Grün usw ... hätte mich sehr interessiert wie das zustande kam, aber die vortragende Dame erklärte das leider sehr „esoterisch“, jede Farbe entspräche einem Körperteil (bspw blau=Kopf) und je nachdem, wie „gewichtet“ man die Farben im Prisma sieht, könne man irgendwelche seltsamen Rückschlüsse ziehen, ich weiß nicht mehr welche…. schade, das Phänomen als solches fand ich sehr interessant!

Aber zum Thema Farbe und Wein oder „Die Farben des Weines“ – gerade in diesem Herbst ein Feuerwerk an Rotgold-Tönen, alle Hobby- und Berufsfotografen gaben sich ein Stelldichein in den Weinbergen, aber mir fällt da immer der Maler Michael Apitz ein:
Seine Malerei ist irgendwie von den Konturen her sehr impressionistisch, eher „flirrend“ oder „verwischt“ ; in den Farben stark expressionistisch: kräftig, zum Teil düster; grandiose Werke, sehr oft mit dem Thema Wein, Weinlandschaften, Weinberge.

Sein berühmtes Triptychon  war lange in der hessischen Landesvertretung in Berlin ausgestellt, jetzt hängt es im Keller der Steinberg-Kellerei der hessischen Staatsweingüter – und verkleinert als Druck in vielen Wohnzimmern  …. ;-)

Hier in der Gegend ist Apitz eine lebende Legende, allerdings eher als Comiczeichner: Den Spätlesereiter Karl kennt hier jedes Kind, der gehört quasi zum Leben dazu.

Die Geschichten gibt es in insgesamt 12 Bänden, auch Geheimrat Goethe tritt darin immer wieder auf, als Weintrinker, Frauen …. ääähhh…. „Verehrer“ ???….und selbstbeweihräuchernde Promi-Ikone, immer auf der Suche nach dem nächsten Weinglas.

Seine Farbenlehre - womit nun auch der Bogen zurück zum Thema geschafft wäre ;-) - beschränkt sich auf blassgoldenen Riesling.

Einen Wein soll ich noch dazu finden? Ja klar, es geht ja um die WEINrallye ….

Hm , schwierig … es gab einmal einen Versuch, lange vor den „classic“-Linien, den Rheingauer Riesling ein bisschen zu „standardisieren“, einen Kabinett, der den „typischen“ Rheingauer Wein, bzw Riesling vertreten sollte. Auf dem Etikett abgebildet der „Rheingauner“ (mit “n“!) von Apitz,
das war immer ein sehr nettes „Mitbringsel“ – leider gibt’s den schon lang nicht mehr, angeblich wär das „zu wenig seriös“ gewesen.

Hallo? Was soll das denn? Wein darf keinen Spaß machen? Witzige Wein-Namen oder Etiketten sind doch heute überall zu finden, gehören quasi zum Standard …

Nun denn: zum „Karl“-Comic NUR und ausschließlich eine Riesling-Spätlese vom Schloss Johannisberg – was anderes kommt da gar nicht in Frage!

Dienstag, 1. September 2015

Genug ist genug


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Ich gestehe: Als die ersten "Blogger für Flüchtlinge"-Posts auftauchten, habe ich gedacht: Gut gemeint.
Ich konnte mir nicht wirklich vorstellen, dass in der Welt der Grubenhandtücher, gescheuerten Bohlentische und dekorativ arrangierter Kräuterstängel Platz gemacht wird für klare Worte. Jenseits der Bekenntnisse zu regional, authentisch, nachhaltig - name it.


Ich lag falsch. Erstaunlicherweise, glücklicherweise.

Und ich habe mich dann gefragt, was ich noch schreiben kann, was nicht schon gesagt wurde, nur eben nicht von allen.

Darum möchte ich an dieser Stelle zunächst auf das Projekt Blogger für Flüchtlinge verlinken - große Klasse. Hilfestellung für Hilfe. Jeder kann was tun. Danke.
 
Dann auf ein paar befreundete Blogs:
Dirk auf Würtz-Wein
Susa von hundertachtziggrad 
Dorotheée aka Bushcook
Eline vom Küchentanz
Jörg bei Utecht schreibt
Astrid auf Arthurstochterkocht

Und dann, wer mich ein bisschen kennt, weiß, wo und was ich arbeite, ein paar Filme/Texte zum Ansehen und Nachdenken. 
*klick*
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Wir beschäftigen uns seit langem mit dem Thema. Wir berichten, wir hinterfragen, wir versuchen, aufzuklären und, vor allem, "den Flüchtlingen" ein Gesicht zu geben. Viele Gesichter. Und, ja, wir verschließen die Augen dabei nicht vor den negativen Geschichten, die es auch gibt. Das sind wir unserem Job, unserem Auftrag schuldig.

Aber es geht es doch, verdammt noch mal, zu allererst um Menschen. Menschen in großer Not. Menschen, die alles hinter sich gelassen haben, in der Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben. Und ja, auch, wenn es "nur" aus wirtschaftlichen Gründen ist. Wer will es einem Menschen verdenken? 

Ja, das kostet Geld. "Uns", das Land, in dem wir leben, unser Sozialsystem. Verdammt viel Geld. Aber: Wir, wir als Bürger,  wir als Gemeinschaft, wir als Land, wir leben im Wohlstand. Im weltweiten Vergleich sogar im Luxus. Nicht im gleichmäßig verteilten, aber daran würde sich auch nichts ändern, wenn wir die Flüchtlinge nicht aufnehmen würden.
Dafür bekommen wir als Bürger, wir als Gemeinschaft, wir als Land auch verdammt viel zurück. Nicht gleich, aber auf Dauer. Stichwort Nachhaltigkeit.
Die Menschen, mit denen ich, mit denen meine Kollegen gesprochen haben, die wollen etwas tun. Die wollen etwas leisten. Der Restaurant-Azubi aus Eritrea, der angehende Mechatroniker aus Afghanistan, der syrische Arzt. Sie alle sind gekommen, weil sie Mut haben, weil sie Träume haben, weil sie bereit sind, alles dafür zu geben.

Es ist unsere verdammte Pflicht, etwas für diese Menschen zu tun. Und es erfüllt mich mit Freude und, auch wenn ich nichts dafür kann, Stolz, zu sehen, wie viele Bürger dieses Landes spontan, engagiert, ehrenamtlich in die Bresche springen. 

Es macht mich wütend, dass die Politik häufig so schleppend reagiert, statt zu agieren. Ich will keine Minister mehr durch Aufnahmeunterkünfte laufen sehen und wohlfeile Sätze in die Mikrophone sprechen hören. Ich will, dass unsere Regierung Position bezieht, statt Vorwahlkampf zu betreiben. Ich will, dass Bürger, dass Institutionen, die helfen wollen, nicht durch unsinnige Regeln behindert werden.

Und ich will, dass die "man muss doch mal sagen dürfen"-Wutbürger, die Menschen, die nichts besseres zu tun haben, als Armut und Elend landsmannschaftlich hochzurechnen und aufzuwiegen, nicht mal im Ansatz das Gefühl haben dürfen, sie seien mehr als ein unterm Strich vernachlässigbarer Wurmfortsatz ewig gestriger, dumpfer verabscheuenswürdiger rechter Stimmungsmacher. 

Genug ist genug. Es ist Zeit für Klartext.

Mittwoch, 15. Juli 2015

Noch ein Fest? Noch ein Fest! Unser Hauptstraßenfest!

Im Sommer wird im Rheingau gefeiert. Kein Wochenende, an dem nicht mehrere Feste zwischen Hochheim und Lorch stattfinden, alle mit Wein, die meisten mit Livemusik und sehr, sehr viele mit den mehr oder weniger immer gleichen Ständen - Nierenspieß, Crêpes, Pizza.

Etwas spezieller, vielleicht nicht ganz so "professionell", aber dafür oft gemütlicher sind die kleineren Feste - Dorfkerben, Tage der offenen Tür bei der Feuerwehr und natürlich die Straßenfeste.

In Martinsthal hat das Hauptstraßenfest eine lange Traditon. Vor etwas 40 Jahren war es eines DER Feste im Rheingau, rechts und links der alten Hauptstraße öffneten Anwohner für ein Wochenende ihre Höfe, im alten Lindenkeller gab es eine Disco, drei Tage lang feierten die Martinsthaler mit Freunden und Gästen auf der Straße.
Irgendwann wurde die schiere Menge der Feste im Rheingau erdrückend, das Martinsthaler Weinfest wanderte an den Weinprobierstand im Walluftal, und das Fest war Geschichte.

Bis in Martinsthal die Hauptstraße über viele Monate aufgerissen, saniert und neu geplastert wurde und die Anwohner das am Ende doch frohe Ereignis wieder mit einem Fest feierten - 2010 war das.
Hauptstraßenfest, reloaded, immer am dritten Juliwochenende.
Kleiner als das parallel stattfindene Lindenfest in Geisenheim, weniger speziell als die Schlangentage, aber dafür nachbarschaftlich und gemütlich. Einer der schönsten Innenhöfe - der von Gabriele und Guido Arnold - wird zur Straußwirtschaft, Zelda Klein backt ihre berühmten Frühlingsrollen. Bier und Cocktails gibt es natürlich auch, vor der Salongesellschaft kann man herrlich chillen, Tanja Nehrbauer öffnet ihr Waffelkaffee und organisiert Spiele und eine Rallye für die Kinder.

Wir sind auch dabei - mit dem verschobenen Tag der halboffenen Kellertür. (Wie der eine oder andere vielleicht mitgekriegt hat, war die Hälfte der Belegschaft - für fast drei Monate im Weingut zu wenig zu gebrauchen.)
Beim Hauptstraßenfest präsentieren wir unseren neuen Jahrgang - sechs Weine vom trockenen Martinsthaler über zwei Mittelrheiner bis zu unseren Topweinen aus Rheingauer Erste-Gewächs-Lagen.
Es ist uns ein Vergnügen - und ein Fest, natürlich. Und wir freuen uns auf Euch!

Freitag, 17.7. ab 17 Uhr
Samstag, 18.7. ab 17 Uhr
Sonntag, 19.7. ab 11 Uhr zum Mittagessen, richtig los geht es ab 15-16 Uhr

Und wer dann noch nicht genug hat, kann uns am 5. und 6. September in Martinsthal besuchen - bei unserer Jahrgangspräsentation, jeweils von 14 bis 18 Uhr. Bei uns gibt's was zu probieren und trinken, bei den Kollegen auch was zu essen.
Wir sehen uns hoffentlich!

Skål!

Sonntag, 28. Juni 2015

Weinrallye #87 - Winzerinnen: Keine Schaumschlägerinnen!



Dorothee aka Bushcook lädt zur Weinrallye.

Unter einem Motto, das beileibe kein neues ist,  destotrotz eins mit Gesprächswert - Frauen und Wein. Frauen, die Wein machen. Oder anders: Machen Frauen anders Wein?

 Eine Frage, bei der sich die Champagne als Spielort (und ohnehin Ziel unseres Kurzurlaubs direkt vor der Weinrallye) geradezu aufdrängt. Wer an Champagner denkt, denkt an Veuve Cliquot, an Viriginie Tattinger, an große Champagnerhäuser, die selbstverständlich von Frauen geführt werden, und das nicht erst seit kurzem.

Die Tradition


Eher zufällig und ohne Terminvereinbarung (was für die meisten Champagnerhäuser ein No-Go ist und in unserem Fall einer Reihe unglücklicher Umstände geschuldet war) stolpern wir in Avize ins Traditionshaus Michel Gonet. Seit 1802 gibt es das Weingut, der Vater der jetzigen Inhabergeneration hat es deutlich ausgebaut und als Marke etabliert. Wir reden von 40 Hektar Weinberge in der Champagne, der Großteil der Trauben wird unter dem Label Michel Gonet sowie einigen anderen Namen verarbeitet. Zum Unternehmen gehören auch noch zwei Weingüter im Bordelais, die von den beiden Gonet-Söhnen geleitet werden. Sophie, die Tochter, eine drahtige, energische Person mit viel Charme - führt das Stammhaus in der Champagne in 7. Generation.
Zu unserer Überrachung und Freude begrüßt sie uns selbst und beschert uns eine hochinteressante und durchaus amüsante Probe.
Sophie lässt keinen Zweifel daran, dass für sie der Champagner weiblich ist - und dass Frauen dafür ein besseres Händchen haben. Filigran, vielschichtig, manchmal ein bisschen kaprizös, aber immer lebendig, mit viel Esprit. Wie die Winzer, so die Weine. (Mein Credo. Bis darauf, dass ich finde ... dazu unten mehr.)
Im Hintergrund, so erzählt sie, hätten die Frauen häufig schon lange oft das Sagen gehabt, zunehmend sei das jetzt auch nach außen sichtbar - und verunsichere so manchen Mann. Seit kurzem macht sie auch Kommunalpolitik, managt die Familie nach dem Tod ihres Mannes in diesem Frühjahr alleine, hat sich für das kommende Jahr den Umbau der Kellerei und den Neubau einer Vinothek mit Aussich auf die Weinberge der Côte de Blancs vorgenommen. Langeweile sieht anders aus.

Besonders gut gefallen hat uns der Champagne Michel Gonet Cuvée  Prestige 2001 Blanc de Blancs Grand Cru  Brut. Klar und stringend, kräftig, aber nicht zu opulent, geröstete Mandelnoten, ein bisschen Butterbrioche, leicht mineralisch mit einem winzigen salzigen Kick.

Aufgrund der besonderen Umstände gibt es leider keine Bilder. Die Homepage findet Ihr hier.

Das Kontrastprogramm


Der Besuch bei einer anderen Winzerin in der Champagne war schon vorher gesetzt - Solveig Tange in Soulières. Solveig stammt aus Dänemark, war in ihrem ersten Leben Journalistin und betreibt zusammen mit ihrem französischen Mann Alain das Champagnergut Tange-Gérard, seit 2009 im Vollerwerb unter dem Namen Tange Gérard. Untergebracht ist der Betrieb im Nachbargebäude von Alains Geburtshaus, seine Familie lebt seit Generationen in der Champagne, besitzt dort ebenso lange Weinberge und Äcker, verkaufte aber bis vor einigen Jahren alle Trauben an die örtliche Kooperative. Nach und nach haben Solveig und Alain die Flächen aus alten Pachtverträgen abgelöst und bewirtschaften jetzt drei Hektar selbst.

Ein paar Schritte vom Weingut entfernt liegt ein Teil der Weinberge - größtenteils mit Chardonnay bepflanzt, im unteren, eher frostgefährdeten Abschnitt stehen allerdings Pinot noir und Pinot meunier, die als weniger empfindlich gelten. Die Rebzeilen sind begrünt und wirken sehr "belebt", Schmetterlinge, Weinbergsschnecken, blühende und duftende Kräuter.(Im Schnitt sollen in der Champagne übrigens 30 Prozent der Zeilen begrünt sein, bei Tange-Gérard sind es knapp 70.)



Für uns Rieslingwinzer sehen die Weinberge etwas seltsam aus: Niedrige Laubwände, die Bögen sind knapp über dem Erdboden aus dem Stock gezogen, Chabliserziehung, enge Zeilenabstände. Das erlaubt das Arbeiten mit Überzeilenmaschinen (von uns "Dreibeine" genannt), mit denen die Laub- und Pflanzenschutzarbeiten gemacht werden



Gelesen wird per Hand - mühsam durch die geringe Höhe, wenn auch nicht ganz so anstrengend wie in der Steillage. Dafür sind die Lesekisten deutlich größer und schwerer.
Gekeltert wird in der Cooperative, alles ist genauestens festgelegt und wird streng kontrolliert. Der Schnitt in den Weinbergen, die Triebe und Trauben, die Anzahl der Flaschen, die man für den unter eigenem Label vermarkteten Champagner kauft. Und die Zahl der Steueretiketten, die oben auf die Capsule über die Agraffe klebt (und kleben muss). Einfach eine kleine Kelter kaufen, Trauben kaufen und Wein machen, hier funktioniert das nicht.

Solveig und Alain haben als Emblem für ihr Champagnergut das Wahrzeichen von Souliéres, den Stern vom Kirchturm, gewählt - und zwar so, wie sie ihn sehen. Er strahlt auf den ausgesprochen schlicht und geschmackvoll gehaltenen Etiketten, an deren Farbe man die "Qualitätsstufe" des jeweiligen  Champagners erkennen kann.

Natürlich habe ich mich mit Solveig auch über das Thema "Frauen und Wein" unterhalten. Sie sieht den Anteil der Frauen in Führungspositionen ebenfalls auf dem Vormarsch, steht aber ansonsten auf dem - sehr skandinavischen - Standpunkt "das ist doch völlig normal". Und: "Frauen machen  keine anderen Weine als Männer. Unterschiedliche Winzer machen unterschiedliche Weine, unterschiedliche Winzerinnen machen unterschiedliche Weine. Männerweine, Frauenweine, das ist hier eigentlich kein Thema." Unterschiede gebe es bestenfalls in der Kommunikation.

Das unterschreibe ich voll und ganz. Und komme auf das Credo von vorhin zurück: Die Weine sind so wie der Winzer. Da gibt es rustikale Wuchtbrummen und elegante Schöngeister, dünne Leichtgewichte, verspielte Schnörkelchen und tiefe, feste Leuchttürme. Das hat aber nichts damit zu tun, ob der Wein von einer Frau oder einem Mann gemacht wurde. Eine Winzerin kann bei entsprechenden Lagen ungemein maskuline, fleischige Weine aus ihren Wingerten herausholen, ein Winzer bei entsprechendem Weinbergspotential eher feminine Weine machen. Die Kunst ist es doch, das, was da draußen wächst, mit dem wir uns so wahnsinnig viel Mühe geben, vom Schnitt bis zur Lese, dem Raum zu geben und es abzubilden.

Und noch ein Satz, der exemplarisch steht für die Leidenschaft, den Willen und das Wissen um die Mühe und die Nerven und den langen Atem, den man und frau für Weinbau und speziell für Champagner braucht: "Ich würde das Büro nie wieder mit diesem Leben tauschen, mit dem im Weinberg, im Keller und im Kontakt mit den Weintrinkern." Das sagen beide.

Zeit für Solveigs Wein. Oder ist es Alains Wein? Es ist der Wein von Tange-Gérard. Wer macht was. Wen interessiert das. Beide machen alles.
Wir beginnen mit dem Champagne Tange-Gérard Blanc de Blancs Brut 2008. In der Nase verhalten nussig, weiße Blüten, zarte Röstaromen, Zitrustöne. Auf der Zunge nussig, etwas Schmelz, mit mehr Luft zunehmende Cremigkeit, duftig und zartblumig, feines Mousseux, gute Länge.
Konsequent, straight, sehr präzise gesetzt und trotzdem nicht freudlos und streng. Ein intelligenter Wein. Der das widerspiegelt, was man hier sieht, atmet und lebt. Die Weine sind wie ...

Und das ist nur der Anfang. Wir haben das ganze Sortiment verkostet, über den Rest erzählen wir demnächst hier und anderswo.

Solveig schreibt einen Blog auf Englisch und Dänisch, ihre Homepage findet Ihr hier.

Freitag, 29. Mai 2015

Weinrallye #86: Der Sommer wird rot - Flick-Flac ohne Schnickschnack!



Susa sagt, der Sommer wird rot. Klar wird der Sommer rot. Immer!

Es beginnt mit den winzigkleinen, dafür hocharomatischen Steillagenwalderdbeeren in unserem Weinberg am Mittelrhein, dann gibt es schon bald die ersten  Frauensteiner Süßkirschen, gefolgt von wunderbaren Sauerkirschen "Alter Baum" (für die wir jetzt eine Quelle respektive Stelle in Erbach haben), zwischendurch jede Menge Himbeeren, rote Pflaumen, rote Stachel- und Johannisbeeren, kurzum, der Sommer wird nicht, er ist herrlich köstlich saftig rot.

Der rote Sommer verleitet selbst hartgesottene Rieslingtrinker wie uns hin und wieder auf  Um- und Abwege. Blanc de Noir oder Rosé, Weine, die wir selbst nicht im Repertoire haben.
Unser einziger Ausflug in die Rotweinmacherwelt im Jahr 2011 brachte einen knalltrockenen Spätburgunder BdN hervor, der ein wenig speziell war, aber wie geschnitten Brot lief. Es gibt Leute, die heute noch von diesem Wein schwärmen. Andere sind froh, dass er ausgetrunken ist.

Wie gesagt, Rieslingtrinker. Rosa nur in Ausnahmen. Rot nur in begründeten Ausnahmen, etwa, wenn unsere Weinreiserunde sich trifft. Dann gibt es seltsamerweise immer Rotwein, immer mehr als Weißwein, eigentlich immer überwiegend Bordeaux. Und Spätburgunder, und nicht nur, wenn wir uns an der Ahr treffen. Das sind dann aber auch Ausnahmeabende - jedenfalls für uns.

In unserem wunderbaren Südtirolurlaub im vergangenen Sommer haben wir dann aber den Abendrotwein zu einem festen Ritual werden lassen. Die Auswahl war ja auch riesig, tolle Winzer direkt vor der Tür, Jedentags auf hohem Niveau, genau das Richtige, wenn die Dämmerung sich über die Bergrücken und die schroffen Felsen auf die saftigen Schwemmkegel senkt.
So ein Sommerabendrotwein, der rundet und erdet und wird mit jedem Schluck sanfter.

Auf der unbewussten Suche nach so einem Sommerabendrotwein sind wir jetzt bei einem Winzer fündig geworden, den wir eigentlich nur als Rieslingcrack auf dem Schirm hatten - völlig zu Unrecht.
Reiner Flick vom Weingut Joachim Flick - der Straßenmühle in Flörsheim-Wicker - fällt uns seit Jahren nicht nur durch seine klaren, strahlenden und gleichsam tiefgründigen Weine auf, sondern auch durch seine Art. Kein vorlauter Blender, keiner, der sich nach vorne drängelt - obwohl er im VDP ist. Aber einer, der für seine Ansichten und Meinungen steht, und diese zB auch auf der Feierstunde der Landesweinprämierung vertritt, wenn er stellvertretend für die fluglärmgequälten  Bürger (nicht nur in Hochheim) der anwesenden Ministerin mal so richtig einschenkt.
Und Ihr kennt ja unser Credo: Die Weine sind wie der Winzer.

Besucht haben wir den Winzer am Tag der offenen Tür, probiert haben da erstmals auch seine Rotweine. Und sie sehr gemocht. Ganz vorne: 2012 Spätburgunder Wickerer Nonnberg, QbA trocken.



Rote, saftige Beerenfrucht, etwas Kirsche, zartsüßlicher Duft, etwas Vanille. Im Mund fest und saftig, feine Tannine, würzige mineralische Töne, das alles mit einem gewissen Druck, ohne zu wuchtig und mächtig zu wirken, mit guter Länge. Ein Wein, der nicht hüpft, aber elegant springt, mit Anlauf und Anspruch, durchaus artistisch, ohne dabei gekünstelt oder designed zu wirken. Flick-Flac ohne Schnickschnack. 


Ja, und er ist natürlich viel zu jung, aber eben auch jetzt schon wunderbar trinkbar, ein echter Sommerabendgenuss auf hohem Niveau, bei dem auch das zweite Glas noch schmeckt.

Jetzt muss nur noch der Sommer kommen! (Und wir müssen nur noch was von diesem Wein nachkaufen.)

Donnerstag, 28. Mai 2015

Drei Wochen war der Frosch so krank ...

... nun, genauer gesagt waren es jetzt schon sieben Wochen. Sieben Wochen, die uns gezwungen haben, komplett umzudisponieren. Umzuplanen, neu zu denken.
Weniger wichtige Dinge abzusagen oder zumindest weit nach hinten zu schieben.
Unumgängliche Dinge anders zu organisieren. Freunde und Familie um Hilfe zu bitten.
Biegen und Binden im Weinberg. Biodünger verteilen. In der Einzelstockerziehung die Pfähle gerade rücken  oder neu einschlagen. Mähen. Ausbrechen. Weine filtrieren. Füllen.
Vom alltäglichen Kleinkram (Duschen, Anziehen, Schuhe zuschnüren, Waschmaschine befüllen, Wäsche aufhängen, volle Kochtöpfe von links nach rechts heben, Nudeln abschütten, Einkaufskorb anheben, Wasserkisten ... mal ganz abgesehen.

Nichts Lebensbedrohliches war passiert, aber mit einem gebrochenen Schlüsselbein lebt, bewegt, hebt und trägt es sich anders, das habe ich gelernt.
Und dazu, wie wichtig und tragfähig dieser blöde Knochen ist, wenn er denn heil ist und nicht beim blöden Sturz in drei gleichmäßige Stücke zerbrochen ist.
Es geht voran. Jetzt raucht sie nicht, aber sie trägt wieder, Gott sei Dank.
Vielen, vielen Dank an alle Unterstützer. Abstützen durfte ich mich übrigens auch nicht.

Donnerstag, 26. Februar 2015

Weinrallye #83: Wein in Film und Fernsehen

Ich weiß, eigentlich müsste das Thema mich geradezu anspringen. Wein, Film, Fernsehen, die drei großen Lieben meines Lebens (ok ... nicht nur), da muss doch was funken.
Allein, es funkt nicht viel. Vielmehr: Nichts.



Die mehr oder weniger großen Wein-Kinofilme - gähn. Jeder hat sie gesehen, jeder würde sie nehmen.
Die mehr oder weniger erfolgreichen Versuche, das Thema vorabendtauglich oder primetimegemäß zu werwursten - gähn, gähn, gähn, von den Fallers - "Alla, trink mer noch oiner" über Moselbrück " ---" bis zum Winzerkönig "ohne Worte", Danke, nein, bitte nicht.

Und nein, über den letzten Bodensee-Tatort mag ich auch nicht schreiben (wäre es doch nur ironisch gemeint gewesen) und schon dreimal nicht über die durchaus gut gemachten, gleichwohl nicht ganz untendenziösen Reportagen über Weinmacher aus meinem Haussender.
Und nein, ich schreibe auch nichts über die Weinköniginnenwahlen. (Wobei, warum eigentlich nicht? Nur nicht heute, aber das ist ein tolles Thema. Bericht folgt.)

Also, ich bin spiegelblank. Ideenmäßig auf dem Trockenen.

Was auch damit zu tun hat, dass ich finde, dass das Thema Wein sowohl in der nachrichtlichen als auch in der bunten Berichterstattung sträflich vernachlässigt wird.

Wir sehen die hunderfünfzigste Reportage aus dem Schweineknast und die achtzigste Geschichte vom Heile-Welt-Biohof, wir lernen alles über Acrylamid und Aluminiumdeos und keiner erzählt uns, wie Wein wirklich gemacht wird, dass familiäre Betriebe nicht automatisch für Handwerk, Typizität und Qualität stehen, dass Großunternehmen nicht automatisch industriell arbeiten und Massenplörre erzeugen und dass das, was der romantische Verbraucher sich so vorstellt, wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat.

Ja, es gibt sie, die guten Formate, aber sie spielen ausnahmslos nicht im linearen Fernsehen, sondern im  Netz.
Nur mal zwei Beispiele: *klick* *klick*

Und wenn sich ein gutes Format doch mal in die herkömmlichen Ausspielwege verirrt, wird es gnadenlos abgestraft und irgendwann eingestellt. Leute, das hat verdammt viel mit Format, Form und Fantasie zu tun. Und FWissen.
Ich kriege einen hysterischen Anfall, wenn ich Bilder vom Winzer mit Faßprobe und Kerze im tiefen Keller sehe, wenn erwartbare Nostalgiekitschbilder darüber hinwegtäuschen sollen, dass Reporter und abnehmender Redakteur von der Materie soviel Ahnung haben wie die Kuh von der Atomphysik und wenn Agrarlobbygeschwafel 1:1 abgebildet wird -  ohne Nachfrage, weil: siehe voriger Punkt.

Wein ist in aller Munde, Wein hat längst den Elitenimbus verloren, selbst im Discounter gibt es zugegebenermaßen langweilige, aber technisch korrekte Erzeugnisse, wo, zum Teufel, bleibt die angemessene Berichterstattung - über das Regionalfenster hinaus, wir berichten ja auch über Milchwirtschaft, die angesprochenen Schweineställe und Trends in der Bierindustrie?

Eine Steilvorlage, eine Riesenchance, die man einfach vorüberziehen lässt. Ein Riesenfehler, finde ich. Wir hätten das Thema, wir hätten die Leute, wir hätten gute Presentertypen, wenn wir nur wollten.

Dafür, dass es mir egal ist, habe ich mich gerade ganz schön in Rage geschrieben, ich weiß.

Dafür gibt es jetzt auch noch eine Geschichte, eine skurrile, eine schöne, eine filmreife.
Von unserer Weinrunde hatte ich ja bereits mehrfach berichtet (oder nicht? dann nur nicht hier).

8-12 Leute, die sich für ein Wochenende in einer Weinregion treffen, Bottleparty am Freitagabend, 2-4 Winzerbesuche und abendliches Essengehen am Samstag, Ausklang am Sonntag. Mit den Winzerbesuchen sind Weinproben und umfangreiche Einkäufe verbunden.

Wir waren für den frühen Samstagnachmittag bei einem Winzer angekündigt, nach einem ausgiebigen Mittagessen aber zeitlich leicht im Verzug - ca. 30 Minuten.

Auf unser Klingeln ertönte hysterisches Hundegekläffe, die Dame des Hauses riss die Tür auf und ließ ein Donnerwetter auf uns niedergehen, sie sei in Eile, die Probe kaum durchführbar, auf unsere Beteuerung, wir seien Verkostungsprofis, ließ sie uns doch ein, scheuchte uns in den Proberaum, den herbeigeeilten Kläffer im hohen Bogen in den Nebenraum befördernd, was wenig half, da dieser sich als Durchgangszimmer erwies und der Kläffer nun etwas besser gelaunt unsere im Feldwebelton auf die Stühle kommandierte Weinrunde begrüßte.
Wir probierten ziemlich eiligst und ein bisschen kleinlaut, kauten pflichtschuldig das dargereichte Weißbrot ("was heißt, das brauchen Sie nicht? Ich hab das extra für Sie gekauft!") und notierten brav unsere Wünsche.
"Wie, Sie wollen was kaufen und das jetzt mitnehmen?"
Hektisches Zusammenrechnen -"das können wir Ihnen abnehmen?!" - überhasteter Aufbruch zum benachbarten Hochregallager (Jacken anziehen wird überschätzt), es folgten Balanceakte auf der Rollleiter, von zwei starken Männern gehalten (O-Ton H.:"Ich kann da nicht hinsehen!"), Flaschen, die in Kartons gepfeffert wurden, Kartons, die in Kofferräume gestopft wurden, Rechnungen, die Wochen später kamen und vorne und hinten nicht stimmten, die wir aber alle anhand der eingesackten Flaschen beglichen haben.

Großes, großes Kino, eine Probe, von der wir seit langem erzählen und noch lange erzählen werden. Und danke, ma chère Susa, dass Du Deinem ersten Impuls nicht nachgegeben und diese filmreife Probe nach fünf Minuten verlassen hast - was für eine wunderbare Geschichte.

Und weil es bei der Weinrallye ja am Ende auch um Wein gehen soll, stelle ich jetzt eien vor, wenn auch keinen dieser legendären Probe (obwohl ich noch was davon im Keller habe). Stattdessen gibt es ausnahmsweise mal nicht Riesling, nicht mal Weißwein, sondern Rotwein aus Südtirol.

Von unserem wunderbaren Zusammentreffen mit Andi Sölva habe ich ja hier und da schon berichtet, aber auch das ist eine eigene filmreife Geschichte wert (mehr demnächst hier).
Vor kurzem haben wir die vorletzte Flasche unseres Kistentauschs aufgemacht, den 2012er "Sea". Sea, so heißt der Kalterer See bei den Einheimischen. Und ja, es handelt sich um einen Kalterer See, einen richtig klassischen, aus alten Anlagen, bei kleinem Ertrag gefahren, ja, handwerklich und mit viel Fingerspitzengefühl für Rebsorte, Tradition und Möglichkeiten gemacht.

In der Nase Brombeere, Leder, sehr dicht und komplex, ein bisschen Mokka und verhalten süßliche Zwetschgentöne. Im Mund Brombeerfrucht und Pflaume, Sauerkirsche, würzige Kakaonoten, Mokkaschokolade, ein Wein mit verdammt viel Substanz, der trotzdem eine gleichsam schwebende Eleganz und Größe offenbart. Kalterer See.

Großes Kino.

Gastgeber dieser Weinrallye ist edelste-weine.de, mehr dazu hier: http://www.edelste-weine.de/weinrallye-83-wein-film-und-fernsehen-blogparade/

Sonntag, 1. Februar 2015

Ausgeblubbert

Ich gewinne ja nie selten was. Ok, vor Jahren mal ein Sachbuch-Abo (toll!) und ab und zu habe ich mal drei Richtige im Lotto. Zugegebenermaßen mache ich auch nicht allzu oft bei Verlosungen mit, was die Chancen naturgemäß mindert.

Kurz vor Weihnachten habe ich aber auf den allerletzten Drücker an der Crémant-Verlosung von "Weine der Loire" teilgenommen - zu Weihnachten und Silvester passt was Sprudelndes immer, außerdem weiß ich, dass Schwager und Schwiegermutter sehr viel lieber ein Glas Sekt oder Crémant trinken als Riesling oder gar Rotwein, wir hatten zwar schon einiges im Vorrat, aber ... jedenfalls ...

... ich habe gewonnen! Yeah! Pünktlich zum Fest war das Sixpack da, und wir haben die  Crémants nicht nur genossen, sondern uns auch Notizen gemacht. Fünf im Urlaub, den letzten gestern Abend, als krönenden Abschluss des grauen Monats Januar.


Der hauseigene Controller hat die Weine selbstgeredend in einer Art Versuchsaufbau angeordnet und nur genau so zum Verkosten und Trinken freigegeben, und das Ergebnis der Proben gab ihm am Ende Recht.

Begonnen haben wir mit der Flasche, die mir aus dem LEH bekannt vorkam -
Loire le Cheteau brut, 12%. Ein bisschen grüner Apfel, ein bisschen grasig, eher leicht im Stil, mit prägnanter Säure. Wahrscheinlich keine schlechte Wahl, um einen Kir oder einen Apérol Sprizz zu mischen.

Nummer zwei: De Chanceney, Crémant de Loire brut, 12,5%. In der Nase grüner Apfel und Haselnuss. Auf der Zunge Brioche-Noten, leicht cremig, nussig, runder und weicher als der Vorgänger, ebenfalls säuerlich und eher leicht im Stil.

Am nächsten Abend gab es einen sortenreinen Crémant: Veuve Amiot, Chardonnay brut, 12,5%. In  der Nase nussige Töne, geröstetes Butterbrioche, weiße Blüten. Auf der Zunge Birnenfrucht und Honigmelone, dezente Säure, schön trocken, harmonisch, wirklich gut gemacht, auch wenn er nach hinten ein bisschen abbricht. Hat uns neben dem vieldiskutierten Buhl-Sekt an Silvester sehr gut gefallen.

Neues Jahr, die zweite Hälfte des Loire-Pakets wollte verkostet werden. Auf dem Plan und damit auf dem Tisch: Louis de Grenelle, brut, bio, 12,5%.
Ananas, säuerliche Zitrusfrucht, mehr Säure als der Chardonnay, eher leicht im Stil und für unseren Geschmack einen kleinen Tick zu süß.

Letzter Crémant auf dänischem Boden (wir verbrachten den Jahreswechsel, wie gesagt, bei der Schwiegerfamilie auf Sjælland): Domaine Dutertre, Cuvée St Gilles.
Cremiger, nussiger Duft, weiße Blüten. Auf der Zunge feine Frucht, cremig, nussig, harmonisch und komplex - aus der Fünferreihe der Crémant, der uns (bis dahin) am besten gefallen hat und den Weihnachtsurlaub würdig beschloss.

Und dann war da noch ...

Ackermann, Cuvée Ambrosa brut, 12%. Was soll ich sagen: Richtig, richtig gut.
Ausgesprochen elegant, reife, mürbe Apfelfrucht, viel nussiger Schmelz. Feine Perlage, gute Länge, ein Samstagabendcrémant erster Klasse.

 
Ein schöner Gewinn - vielen Dank!